Zum Thema Nachkriegsfahrtenmesser habe ich nichts gefunden, was aber nicht bedeutet, dass es in den unendlichen Tiefen dieses Forums nicht doch Beiträge dazu gibt.
Tollkühn und verwegen wie ich nun einmal bin, mache ich anlassbezogen einfach mal einen neuen Thread dazu auf.
Ich habe zu meinem 12. Geburtstag von meinem Vater dieses lang ersehnte Fahrtenmesser geschenkt bekommen. Es ist also 43 Jahre alt. Ich weiß nicht, ob es stimmte, aber er sagte damals, Messer mit feststehender Klinge dürfte man erst ab 12 Jahren haben. Vorher bin ich immer mal mit einem Taschenmesser rumgestromert, was natürlich im Verhältnis zu einem richtigen Fahrtenmesser ziemlich uncool war.
Leider habe ich dieses Fahrtenmesser nicht lange zu schätzen gewusst, denn irgendwann kamen diese Rambo-Survival-Messer in Mode, mit Kompass und Angelschnur und Sägezahn auf der oberen Seite der Klinge. Dass die Klinge selbst so weich war wie eine Käse-Quark-Legierung, hat niemanden gestört. So geriet das Fahrtenmesser in Vergessenheit, bis ich es kurz vor Weihnachten beim Aufräumen des Dachbodens wiedergefunden habe. Es sah schon ziemlich runtergekommen aus, die Klinge war stumpf, matt und teilweise angerostet.
Am Montag klingelte bei uns ein älterer Mann, der sich als "mein Scheren- und Messerschleifer" vorstellte. Mir passte das gut, den ich hatte tatsächlich noch einiges zu schleifen.
Ich habe ihm eine Axt sowie mein olives "Beil, Klaue-, EA 1, VSNr. 2320-12-4329-4350" gegeben"😉. Beides ist perfekt geworden. Dann hat er noch ein paar Fleisch- und Ausbeinermesser aus der Küche, das THW-Messer meines Sohnes sowie mein Fahrtenmesser im Laderaum seines 1997er Mercedes Vito geschliffen. Als ich bezahlen wollte, fragte er mich, ob ich ihm das Fahrtenmesser für 50,-EUR verkaufen wolle. Ich habe das natürlich abgelehnt, weil das ein Geschenk meines Vaters gewesen ist.
Dann hat er mir an seinem Schleifband gezeigt, warum der Stahl so gut ist: zunächst hat er ein (wie ich finde wirklich gutes) Ausbeinermesser darangehalten. Er konnte es schleifen, ohne dass Funken geflogen sind. Bei dem Fahrtenmesser und sind so viele Funken geflogen, dass es so aussah, als würde man in eine Wunderkerze sehen. Das war ein riesiger Unterschied, ich hätte das nicht gedacht. Er sagt, das käme von dem besonders gehärteten Stahl, der erst bei 1.200 - 1.500 Grad verglühen würde. Solche Stahlqualität würde man heute nicht mehr kaufen können.
Der Hersteller des C. Jul. Herbertz aus Solingen.
Ich bin dann ganz raschelig geworden und habe mich einen Abend lang ganz intensiv um das Messer gekümmert. Ich habe es ultraschallgereinigt, die rote, weiße und schwarze Farbe in der burgundischen Lilie mit Modelllbaufarbe ergänzt, die Klinge mit 600er, 1.000er, 1.200er und 1.600er Wasserschleifpapier geschliffen, mit EMR Ambassador fein und Stahlfix (dem original) poliert und mit Ballistol versiegelt und die Scheide geschliffen, grundiert, matt schwarz und mit seidenmattem Klarlack überzogen und die Lederteile mit Froschfotzenfett gepflegt. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Die Überholung des alten Messers hat mir sehr viel Spaß gebracht. So viel Spaß, dass ich mich ein bisschen in der Bucht umgesehen habe und feststellte, dass die Nachkriegsfahrtenmesser, die in der Tradition der Pimpfendolche weiterproduziert wurde, durchaus respektable Preise erzielen. Ich stieß gestern aber auch auf ein gerade online gestelltes Sofortkaufangebot eines anderen alten Solinger Fahrtenmessers, das ich für 35,-EUR kaufen konnte. Ich werde es auch aufarbeiten und schärfen und dann meinem Sohn schenken.
Hier mal zwei Bilder von meinem eigenen, frisch überabeiteten Fahrtenmesser. Fühlt Euch frei, Bilder von Euren Nachkriegsfahrtenmessern zu posten.
Gruß
Dirk